Stendhal, Rot und Schwarz: Zusammenfassung

Rot und Schwarz (frz.: Le Rouge et le Noir) ist ein Roman, bei dem sich die Geister scheiden. Die einen halten ihn für den wichtigsten Beitrag zum Französischen Realismus, die anderen sehen darin einen langatmigen und melodramatischen Roman, der nicht zum Punkt kommt. Und vielleicht – ganz vielleicht – ist dieser Meinungsdualismus intendiert; denn auch der Titel – Rot und Schwarz – verweist auf Gegensätzliches (wenngleich nicht auf absolut Gegensätzliches, sonst hätte er vermutlich Schwarz und Weiß geheißen). Marie-Henri Beyle (1783-1842), wie der Autor Stendhal mit bürgerlichem Namen hieß, hat sich große Mühen gegeben, die Binärstrukturen im Roman auf allen Ebenen der Handlung, der Figuren, der Schauplätze und der Zeiten zu installieren. Der Held Julien Sorel kommt vom Land in die Stadt; er schwärmt für die militärischen Erfolge Napoleons (mit der Militärfarbe: Rot) und wird selber Priester (mit der Farbe des Klerus: Schwarz); er ist hin- und hergerissen zwischen größtmöglicher Aufrichtigkeit und vollkommener Verstellung; und auch rein formal ist der Roman in zwei fast gleich lange Hälften unterteilt, deren erste Juliens Liebesabenteuer mit der älteren Madame de Rênal beschreibt, während deren zweite Juliens Beziehung zu der jüngeren Mathilde de la Mole erzählt. Kurz: Rot und Schwarz von Stendhal ist ein Roman der Gegensätze. Wir fassen im folgenden die Handlung von Rot und Schwarz zusammen und gehen dann auf einige der zentralen Gegensätze des Romans ein.


Inhaltsangabe Rot und Schwarz

Der erste der beiden Teile des Romans erzählt den Aufstieg des jungen Julien Sorel, der als Sohn eines einfachen Arbeiters in dem Dorf Verrières aufwächst (ein fiktives Dorf, das Stendhal im Département Doubs, im Osten Frankreichs ansiedelt). Trotz seines geringen sozialen Status wird er auf Grund seines exzellenten Gedächtnisses (er spricht Latein und kennt das Neue Testament auswendig) Erzieher im Haus des Monsieur de Rênal, dem Bürgermeister des Dorfes. Bereits früh während seiner Tätigkeit deuten sich die ersten Konflikte an: Julien ist überzeugter Anhänger des ehemaligen Kaisers Napoleon, während Monsieur de Rênal königstreu ist; er verachtet seinen Arbeitgeber folglich immer mehr, beginnt jedoch auch eine Affäre mit dessen Frau. Als die Affäre durch eine Dienstbotin im Haus ans Licht kommt, ist Julien gezwungen, Verrières zu verlassen. Er geht nach Besançon ins Priesterseminar, wo er eine lange Ausbildungsphase durchläuft, die geprägt ist von strenger Überwachung, so dass er nicht mit seiner Geliebten, der Madame de Rênal, kommunizieren kann. Schließlich gelangt Julien über die Vermittlung seines Lehrers, des Abbé Pirard, als Sekretär in das Haus des Marquis de la Mole und kommt daher am Ende des ersten Teils in Paris an.

Der zweite Teil erzählt, wie Julien nicht nur immer mehr in der Gunst des Marquis steigt, sondern auch, wie sich zwischen ihm und der Tochter des Marquis, Mathilde, eine Liebesbeziehung entwickelt. Diese ist geprägt von einem konstanten Auf und Ab. Sie schlafen miteinander, doch schon kurz darauf bereut Mathilde ihre Taten – schließlich steht Julien gesellschaftlich weit unter ihr und beginnt, ihm die kalte Schulter zu zeigen. Julien ist verzweifelt; erst als er einen russischen Dandy kennenlernt, der ihm erklärt, dass er, um Mathilde zu gewinnen, ihre Eifersucht erregen müsse, wendet sich das Blatt zu seinen Gunsten. Mit großem Kalkül gewinnt Julien so das Herz Mathildes und die beiden werden endgültig wieder ein Liebespaar. Mathilde wird schwanger und sieht sich daher gezwungen, ihrem Vater die Beziehung zu Julien zu beichten. Der Marquis, ansonsten von Julien begeistert, ist außer sich vor Wut. Er holt Erkundigungen über seinen zukünftigen Schwiegersohn ein, unter anderem auch im Hause de Rênal; Madame de Rênal wird von ihrem Beichtvater gezwungen, Julien als kaltblütigen Karrieristen und Verführer darzustellen: Die geplante Ehe mit Mathilde und seine Karriere beim Militär sind nun so stark gefährdet, dass Julien in einer Art Kurzschlusshandlung nach Verrières reist und dort auf Madame de Rênal schießt. Er wird verhaftet und schließlich, obwohl Madame de Rênal überlebt hat und für Julien plädiert, zum Tode verurteilt. Der Roman endet mit der Vollstreckung des Todesurteils.

Gegensätze in Rot und Schwarz

Rot und Schwarz trägt die Gegensätzlichkeit der Romanwelt bereits im Titel. Vermutlich soll der Titel Rot und Schwarz auf die Zerrissenheit Juliens zwischen Militär (rot) und Priestertum (schwarz) verweisen. Julien wird Priester, ohne jedoch besonders gläubig oder fromm zu sein; insgeheim träumt er von einer heldenhaften militärischen Karriere im Stile Napoleons. Der Name Napoleons ist zur Zeit der Restauration in Frankreich natürlich keiner, den ein junger Mann mit Stolz aussprechen darf.

Daher kommt es immer häufiger im Roman zu einem weiteren großen Gegensatz: Dem zwischen aufrichtigem und unaufrichtigem Sprechen. Julien redet oftmals anders als er denkt. Während er die Unaufrichtigkeit bei anderen verachtet, macht er sich ihrer selber schuldig – die Liebesbriefe, die er einer Dame der hohen Gesellschaft schickt, schreibt Julien beispielsweise Wort-für-Wort ab.

Der traditionellste aller Gegensätze der Literatur im 19. Jahrhundert, der zwischen der Provinz und der modischen Metropole (Paris in der französischen Literatur, London in der englischen), ist ebenfalls in Rot und Schwarz vorhanden. Julien kommt vom Land in die Großstadt und muss die dort erforderliche Etikette erst mühsam erlernen.

Natürlich sind auch die beiden zentralen Frauenfiguren im Roman prinzipiell oppositionell angelegt. Während Madame de Rênal eine einfache und vielleicht auch leicht einfältige Frau ist, Ehefrau und Mutter von drei Kindern, ist Mathilde de la Mole eine weltgewandte, schlagfertige, angebetete und bewunderte junge Frau von Rang und Namen, der die Männer reihenweise zu Füßen liegen. Der alte Goethe fand hingegen beide Frauenfiguren gleichsam unrealistisch und „ein wenig zu romantisch“, wie er Eckermann gegenüber äußerte. In der Tat fehlt Stendhals Frauen eine psychologische Tiefe, wie man sie später bei Balzac antrifft. Mathilde und Madame de Rênal sind relativ platte Charaktere, deren Hauptfunktion zu sein scheint, Julien anzuschmachten. Bei beiden Frauen nimmt die Liebe zum jungen Julien beinahe pathologische Züge an und einige Szenen sind für moderne Leser sicherlich nur schwer zu ertragen.


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