Deutscher Buchpreis 2011: Shortlist

Der Spätsommer ist die Zeit der Buchpreise. In England wird der Man Booker Prize verliehen, in Frankreich der Prix Goncourt, in Schweden der Literaturnobelpreis und in Deutschland – pünktlich zu Beginn der Frankfurter Buchmesse – der Deutsche Buchpreis. Das Prozedere ist bei (fast) allen Wettbewerben sehr ähnlich. Eine Jury (mal fest, mal jährlich wechselnd) legt eine umfangreiche Liste von Buchtiteln vor, die dann gewöhnlich „Longlist“ genannt wird. Anschließend wählt die Jury von den Titeln dieser Longlist eine kleine Zahl von Büchern aus (meistens sechs Stück), die dann auf die so genannte „Shortlist“ kommen. Wie schon zuvor die Longlist wird auch diese Shortlist veröffentlicht und gibt der fachkundigen Presse jede Menge Raum für Spekulationen, wer denn wohl das Rennen macht. Das Prozedere beim Deutschen Buchpreis ist nicht anders. Und so hat gestern die Jury die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2011 bekannt gegeben. Eine erste große Überraschung hatte es bei der Bekanntgabe der Longlist bereits gegeben. Dahingegen war die Shortlist weitestgehend überraschungslos.

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Das sind die drei Kandidaten und drei Kandidatinnen. Weggefallen sind auf dem Weg von der Long- zur Shortlist die Romane von Judith Schalansky, Volker Harry Altwasser, Alex Capus, Navid Kermani, Esther Kinsky, Doris Knecht, Peter Kurzeck, Ludwig Laher, Thomas Melle, Klaus Modick, Astrid Rosenfeld, Jens Steiner und Antje Rávic Strubel. Ebenfalls weggefallen ist, und das ist vielleicht die einzige Überraschung bei dieser Shortlist gewesen, der Roman von Wilhelm Genazino, Wenn wir Tiere wären, der von der Presse durchweg positive Kritiken bekommen hatte und von einem Rezensenten sogar auf eine Stufe mit Herman Melvilles Bartleby gestellt wurde (siehe NZZ 23.07.2011).

Die Auswahl ist als solche sehr gemischt. Da sind auf der einen Seite Romandebütanten wie Jan Brandt und Eugen Ruge, auf der anderen Seite etablierte Schriftstellerinnen wie Sibylle Lewitscharoff, die im vorigen Jahr Heiner Müller-Gastprofessorin am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin gewesen ist, und die Österreicherin Marlene Streeruwitz, die am selben Institut vor rund 10 Jahren ebenfalls eine Gastprofessur (die Samuel Fischer-Gastprofessur) inne hatte.

Was alle diese Romane jedoch verbindet, ist die ungeteilte Begeisterung, die ihnen das deutsche Feuilleton entgegengebracht hat – nicht selten, wie wir betonen müssen, in seltsam übertrieben klingenden Vergleichen (den Melville-Genazino-Vergleich hatten wir bereits oben erwähnt; wobei es verwunderlich ist, dass es der deutsche Melville nicht auf die Shortlist geschafft hat…) Die FAZ schrieb z.B. über Jan Brandts 900 Seiten starken Roman, dass sich Dostojewski von diesem Roman ruhig hätte „einiges abschauen können“ (FAZ, 10.09.2011). Über Eugen Ruges Roman schrieb Iris Radisch in der ZEIT, es handele sich um nichts geringeres, als den „sehr bemerkenswerten“, den lang ersehnten „DDR-Buddenbrook-Roman“ (DIE ZEIT, 01.09.2011). Die WELT vergleicht Marlene Streeruwitzs Roman gleich mit Kafkas „Das Schloss“ (WELT, 15.09.11) und die NZZ findet in Sibylle Lewitscharoffs neuem Roman „Blumenberg“ Züge mehrerer hoher Literaten und Philosophen, er trage „platonische, beckettsche und danteske Züge“ (NZZ, 13.09.11). Glaubt man der so schwärmenden Fachpresse, dann gehören alle sechs Romane bereits unumstößlich zum weltliterarischen Kanon und ihre Autoren sind bedenkenlos in einem Atemzug mit Kafka, Joyce und Proust zu nennen.

Nun, man muss nicht immer gleich mit Superlativen und Shakespeare-Vergleichen aufwarten, um zu sagen, dass es sechs würdige Kandidatinnen und Kandidaten auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2011 geschafft haben. Es wird ein spannendes Rennen geben, das – anders als in den Jahren zuvor – bis jetzt noch keinen eindeutigen Titelfavoriten kennt. Die Siegerin/der Sieger wird wie jedes Jahr zu Beginn der Frankfurter Buchmesse bekannt gegeben, die 2011 vom 12.-16. Oktober stattfinden wird.

Bildnachweis: Logo Deutscher Buchpreis 2011, mit freundlicher Genehmigung der Presseabteilung des Dt. Buchpreises. Siehe hier.

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