Booker Prize 2012: Longlist veröffentlicht

Sommerzeit = Urlaubszeit = Lesezeit. Gut, dass jeden Sommer eine lange Liste an englischsprachigen Büchern veröffentlicht wird, die allesamt lesenswert sind, die sog. Longlist des Man Booker Prize (kurz: Booker Prize). Die Longlist des Booker Prize 2012 wurde Ende Juli veröffentlicht und enthält zwölf Titel. Am 11. September 2012 wird in einer Pressekonferenz die sog. Shortlist des Booker Prize 2012 bekanntgegeben, die noch sechs Titel umfasst. Ein Buch von diesen sechs Titeln wird dann am Dienstag, den 16. Oktober 2012 in London’s Guildhall den Booker Prize 2012 sowie das Preisgeld i.H.v. £50,000 verliehen bekommen. Auch wenn das Preisgeld nicht besonders üppig erscheint hat der Booker Preis eine verkaufsfördernde Wirkung, so dass er neben dem Nobelpreis für Literatur zum begehrtesten Literaturpreis der Welt gerechnet werden muss. Wir werfen einen kurzen Blick auf die Longlist 2012:

Booker Longlist 2012: Viele neue Namen, viele historische Romane

Deutlichste Veränderung an der Zusammenstellung der Longlist 2012 im Vergleich zur Longlist 2011 ist das Fehlen der ‚üblichen Verdächtigen‘. Während 2011 mit Julian Barnes, Alan Hollinghurst, Sebastian Barry oder Carol Birch mehrere Leute auf der Longlist standen, die bereits mehrfach über Longlist, Shortlist oder Sieger im Dunstkreis des Bookers aufgefallen waren, enthält die Liste 2012 nur wenige alte Bekannte.


Der prominenteste Name auf der Liste ist ohne jeden Zweifel der von Hilary Mantel, deren historischer Roman Wolf Hall den Booker Preis 2009 gewann. Der Roman schildert die Ereignisse rund um den Hof von Heinrich VIII. Ihr neuer Roman, der auf der Longlist 2012 gelandet ist, ist eine Fortsetzung von Wolf Hall und trägt den Titel Bring up the Bodies. An dem dritten und letzten Band dieser Tudor-Trilogie schreibt Mantel zur Zeit (siehe BBC News); der letzte Band soll den Titel The Mirror And The Light tragen.

Ebenfalls einem breiten Publikum bekannt sein dürfte der 78-jährige Michael Frayn, dessen Stück Copenhagen (1998), das eine Begegnung der beiden Physiker Werner Heisenberg und Niels Bohr in der dänischen Hauptstadt im Jahr 1941 schiderte, ein Welterfolg wurde. Frayn ist auf der langen Booker Liste 2012 mit einem Roman vertreten, der den Titel Skios trägt.

Die Schriftstellerin Nicola Barker (*1966) war 2004 schon einmal auf der Longlist mit Clear und mit Darkmans sogar auf der Shortlist des Preises 2007. Nun, 2012, ist sie erneut auf der Longlist mit einem Roman: The Yips.

Auch André Brink dürfte Leserinnen und Lesern südafrikanischer Literatur ein Begriff sein. Seine Romane Rumours of Rain und An Instant in the Wind waren beide bereits auf der Booker Shortlist. Sein neuer Roman Philida ist dieses Jahr auf der Longlist vertreten. Es handelt sich dabei um einen historischen Roman, der im Südafrika des Jahres 1832 spielt.

Tan Twan Engs (*1972) Debüt-Roman The Gift of Rain landete 2007 auf der Longlist des Bookers. Dieses Jahr schaffte er es mit The Garden of Evening Mists auf die Liste, ebenfalls ein historischer Roman, der in Japan im Jahr 1949 spielt. Keine Frage: Historische Romane sind der große Trend dieser Longlist 2012!

Deborah Levy ist keine Debütantin, doch dürfte einem breiteren Publikum eher nicht geläufig sein, zumal viele ihrer Werke nicht in deutscher Übersetzung vorliegen. Ihr neuer Roman Swimming Home beschreibt laut Webseite des Man Booker Preises die Geschichte von Menschen in der (einer?) Finanzkrise. Mit möglicherweise etwas mehr zeitkritischem Potential als die zahlreichen Historischen Romane auf der Liste, dürfte Levys Buch gute Chancen auf die Shortlist haben.

Alison Moore (*1971) ist eine mit Preisen überhäufte Autorin von Kurzgeschichten, deren erster Roman, The Lighthouse, es nun auf die Longlist des Booker Prizes 2012 gebracht hat. Er hält für deutsche Leserinnen und Leser ein besonderes Interesse bereit, da er zum Teil in Deutschland spielt. Auch die bisherigen Rezensionen im englischen Feuilleton waren sehr positiv (z.B. im Telegraph), so dass Moore möglicherweise eine recht aussichtsreiche Kandidation für die Shortlist des Bookers 2012 sein könnte.

Der Londoner Autor Will Self (*1961) ist der vielleicht vielseitigste Autor auf der diesjährigen Longlist. Er hat in Oxford Philosophie studiert und wurde später abwechselnd als Punkrocker, als Schriftsteller und als Journalist bekannt (siehe TAZ-Interview). Auf die Longlist hat er es mit seinem neuen Roman Umbrella gebracht. Wer dem Autor bei der Lesung aus seinem Roman zuhören möchte, kann das hier tun; es gibt auf jeden Fall zahlreiche witzige Passagen und der Roman hat möglicherweise auf Grund seines grotesken Tons gute Chancen, es auf die Shortlist zu schaffen. Mit seinen Schilderungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts handelt es sich ebenfalls um einen historischen Roman.

Der in Indien geborene Jeet Thayil (*1959) ist in den letzten Jahren v.a. durch seine Gedichtbände bekannt geworden. Mit seinem Debütroman Narcopolis hat er es auf Anhieb auf die Longlist 2012 geschafft. Der Roman spielt im Opiumhöhlen-Millieu Bombays in den späten 1970er Jahren. Die einzelnen Sektionen des Romans („Books“ genannt) tragen entsprechende Titel, wie „The Story of the Pipe“ oder „The Intoxicated“ und der Verlag verspricht auf dem Cover eine wilde Komödie im Stil von Trainspotting.

Der 1985 geborene Ned Beauman ist der jüngste Autor und schaffte es mit seinem Roman The Teleportation Accident gleich auf die Longlist. Der erste Teil des Romans ist mit „Literary Realism“ überschrieben und beginnt im Berlin der 1930er Jahre (ein weiterer Historischer Roman). Das macht Lust auf mehr und verspricht Unterhaltung auf hohem Niveau.

Debütanten gibt es auf der Longlist ebenfalls wieder. Rachel Joyce, deren Roman The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry es 2012 auf die Longlist bringt, schildert die tragikomische Geschichte eines Mannes, der sich brieflich von seiner sterbenskranken Frau verabschieden möchte, die er seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen hat. Wenn er nur den Brief nicht aufgibt, so glaubt er, wird sie schon nicht sterben – und so zieht er von Briefkasten zu Briefkasten, den Brief immer fest in der Hand – einmal quer durch ganz England.

Dr. Sam Thompson ist ein junger Dozent für Englische Literatur in Oxford und gibt als Forschungsinteressen die Frühe Neuzeit und Shakespeare an, sowie Kritische Theorie, moderne und zeitgenössische Literatur sowie Creative Writing. V.a. letzteres dürfte ihn wohl dazu bewegt haben, selber einen Roman zu schreiben. Dass dieser Debütroman mit dem Titel Communion Town es dann auch gleich auf die Longlist geschafft hat ist eine beachtliche Leistung und insofern erfreulich, als es beweist, dass man durchaus Produzent und (professioneller) Rezipient von Literatur sein kann, wie es früher der Regelfall war, jedoch in unseren Zeiten kapitalistischer Arbeitsteilung eher unüblich geworden ist.

Hier ist noch einmal zum Überblick die Liste der 12 Bücher, die den Sprung auf die Longlist des Booker Preises 2012 geschafft haben:


  1. Alison Moore: The Lighthouse
  2. André Brink: Philida
  3. Deborah Levy: Swimming Home
  4. Hilary Mantel: Bring up the Bodies
  5. Jeet Thayil: Narcopolis
  6. Michael Frayn: Skios
  7. Ned Beauman: The Teleportation Accident
  8. Nicola Barker: The Yips
  9. Rachel Joyce: The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry
  10. Sam Thompson: Communion Town
  11. Tan Twan Eng: The Garden of Evening Mists
  12. Will Self: Umbrella
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